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Ein alter Brauch bis heute lebendig: Der Maialtar im Wohnzimmer zu Ehren Mariens

Die Decke ist weiß. Sie ist rechteckig. Auf ihr sind rote Stickereien.

Die kleine Altardecke schmückte in der Zeit von etwa 1910 bis 1970 in Hundsfeld (Lkr. Bad Kissingen) und in Rothof (Lkr. Würzburg) einen Maialtar im Wohnzimmer. (Foto: Juliane Sander)

Auf der Altardecke sind rote Stickereien. Sie zeigen Blüten und Knospen von Rosen.

Die mit rotem Baumwollgarn im Kreuzstich angelegte Stickerei zeigt Rosenblüten und Rosenknospen. Die Rose nimmt Bezug zur Gottesmutter, sie steht im Christentum für Maria. (Foto: Juliane Sander)

Die Altardecke liegt auf einer Kommode. Die Kommode ist braun.

Jedes Jahr zum Mai wurde die Decke über die Kommode im Wohnzimmer gelegt. (Kommode aus dem Bestand des Fränkischen Freilandmuseums, Inv.-Nr. 20/469; Foto: Juliane Sander)

Einige katholische Familien errichten im Mai zuhause „Maialtärchen“ zur privaten Andacht. Die katholische Kirche feiert diesen Monat als Marienmonat. In der christlichen Spiritualität steht Maria auch für Fruchtbarkeit und Lebenskraft des Frühlings.

Die Feier des Monats Mai als Blütenmonat und Beginn des neuen Lebens geht in die vorchristliche Zeit zurück, denn seit alters her gilt der Mai als „Hochzeit“ der Natur. Die Weihe dieses Monats an Maria führte zu der besonderen Marienverehrung.

Die kleine bestickte Decke aus dem Bestand des Fränkischen Freilandmuseums schmückte in der Zeit von etwa 1910 bis 1970 in Hundsfeld (Lkr. Bad Kissingen) und in Rothof (Lkr. Würzburg) einen Maialtar im Wohnzimmer. Unsere Zeitzeugin berichtet: "Ich kann mich noch erinnern, dass die Oma einen Maialtar hatte“. Die Altardecke stammt aus dem Nachlass ihrer Großmutter. Bei ihr verbrachte sie viel Zeit in ihrer Kindheit. 

Jedes Jahr zum Mai wurde die Decke über die Kommode im Wohnzimmer gelegt. Dieser „Altar“ blieb den gesamten Mai aufgebaut. Mittelpunkt war eine Marienfigur. „Maria stand für uns für das Frühlingserwachen[…]. Wir Kinder haben immer frische Blumen gepflückt, sind raus und haben nach den ersten Maiglöckchen geschaut, Maiglöckchen waren immer dabei, dann Pfingstrosen, Schlüsselblumen, Flieder, Klee und Tagetes. Die Blumen waren von den Wiesen, vom Bahndamm, aus dem Wald oder Straßengraben […] weniger aus dem Garten, da wuchs wenig Blühendes.“

„Dann wurde abends [davor] gebetet, vor allem der Rosenkranz, […] und gesungen, […]. Ob jeden Tag, weiß ich nicht mehr, aber gefühlt seeehr lange. […] Und nach der Marienstatue wurde die Herz-Jesu-Statue aufgestellt. Wir denken dann im Juni. Es waren in den mir bekannten Häusern überall [ein] Altar oder Statuen am Haus oder in der Stubenecke. Immer mit gesammelten Blumen, […], alles was blüht in der Zeit und alle paar Tage frisch. Uns Mädchen hat das besonders gefallen.“

Die Decke ist in Leinwandbindung aus weißer Baumwolle gewebt. An drei Kanten verläuft weiße Spitze. An der zur Wand liegenden vierten Seite bildet die festere Struktur der Webkante den Abschluss. Die mit rotem Baumwollgarn im Kreuzstich angelegte Stickerei zeigt symmetrisch angelegte Streifen mit Rosenblüten und -knospen. Die Rose nimmt Bezug zur Gottesmutter, sie steht im Christentum für Maria.

Nicht nur in Franken, auch in anderen katholischen Gegenden werden heute weltweit Maiandachten in Kirchen und Kapellen gefeiert. Je nach Pfarrei finden mehrmals in der Woche Andachten statt. Auf Instagram finden sich Gestaltungsanregungen für den persönlichen Maialtar zuhause.

Der Ursprung der Maiandacht ist bislang nicht gefunden. Die erste belegte Maiandacht fand 1784 in Ferrara in Italien statt. Im 19. Jahrhundert verbreitete sich diese Andachtsform weltweit in der katholischen Kirche. Mit dem Aufkommen des Maialtars in der Kirche verbreitete sich der Brauch, auch im häuslichen Bereich einen solchen zu errichten.